Lebensmittel sind aktuell Preistreiber in Österreich.
Foto: APA/dpa/Sven Hoppe

These 1: Die Gastronomie spielt in Österreich eine Sonderrolle

Das Schnitzel mit Pommes frites um 6,50 Euro? Das Krügerl Bier um 3,20 Euro? Diese Zeiten sind längst vorbei. Der Dienstleistungsbereich – insbesondere die Hotels und Restaurants – ist einer der Sektoren, in denen die Preise in Österreich besonders stark angezogen haben. Vor allem in den vergangenen Monaten.

Bei touristischen und gastronomischen Dienstleistungen betrug der Preisanstieg im Jahr 2022 in Österreich neun Prozent; im Schnitt der Eurozone waren es nur rund sieben. Laut Josef Baumgartner vom Wiener Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) trug der Faktor Gastro und Hotels 2022 einen vollen Prozentpunkt zu Österreichs hoher Inflationsrate bei.

Das teurere Schnitzel beeinflusst aber nicht nur direkt die Inflationsrate, sondern, wenn man so will, auch indirekt. Dazu muss man wissen: Die Inflation wird nach Land und dortigem Konsummuster unterschiedlich gewichtet.

Das bedeutet: In Österreich ist der Sektor Hotellerie und Gastronomie wegen des Tourismus besonders wichtig. Dementsprechend spielt dieser Bereich auch eine größere Rolle in der Inflationsstatistik. Konkret beträgt das Gewicht von Hotels und Restaurants im österreichischen Warenkorb gut elf Prozent, im benachbarten deutschen sind es nur knapp vier. Das heißt: Selbst wenn die Preiserhöhung beim Schnitzel in Österreich und Deutschland exakt gleich hoch ausfiele, stiege die darauffolgende Inflation in Österreich stärker – eben weil der Faktor Gastronomie stärker gewichtet ist.

Aber das Schnitzel in Österreich ist auch abseits von Fragen der Gewichtung teurer geworden. Ursache dafür ist unter anderem eine Steuererhöhung Ende 2021. Damals wurde die Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke wieder auf ihr reguläres Niveau angehoben, nachdem sie zuvor – im Jahr 2020 – um durchschnittlich acht Prozent gesenkt worden war.

Dieser Schritt war erfolgt, um die Betriebe in der Corona-Pandemie zu entlasten. Die Unternehmen hatten den finanziellen Vorteil durch die Umsatzsteuersenkung geschluckt, aber die darauffolgende Erhöhung dann an Restaurantbesucher weitergegeben. Dazu kommt, dass die Preise in Restaurants zuletzt noch einmal deutlich stärker zugelegt haben, im Jahresabstand lag die Teuerung im Februar bei über 13 Prozent. Ob da Betriebe Extragewinne verbuchen?

These 2: Österreich hilft nach dem Prinzip Gießkanne

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) war in den vergangenen Monaten ziemlich spendabel. Die Koalition hat viel Geld mobilisiert, um die Folgewirkungen der Inflation abzufedern. Es gab einen Klima- und Antiteuerungsbonus über 500 Euro für alle Erwachsenen und 250 Euro für Kinder. Die Einkommenssteuer wurde gesenkt, es gibt Energiebeihilfen und deutlich mehr Geld für Familien. Sicher ist, dass Österreich im internationalen Vergleich viel ausgibt, laut Ranking des Bruegel-Instituts, eines Thinktanks mit Sitz in Brüssel, haben EU-weit bisher überhaupt nur drei Staaten, darunter Deutschland, mehr Geld mobilisiert.

Dazu kommt, dass Österreich wie die meisten übrigen europäischen Länder viele Mittel per Gießkanne verteilt, ohne auf soziale Treffsicherheit zu achten: Auch Unternehmen mit hohen Gewinnen erhalten Energiezuschüsse. Denselben Klimabonus über 500 Euro bekam der Millionär wie der Arbeitslose.

Höhere Staatsausgaben treiben allerdings die Inflation. Der Zusammenhang ist simpel: Haben Menschen mehr im Geldbörsel, gehen sie eher ins Restaurant, ins Kino oder kaufen sich neue Autos und Handys. Höhere Nachfrage treibt die Preise. Wie groß der Effekt aktuell ist, kann niemand mit Sicherheit sagen.

Allerdings hat der Internationale Währungsfonds (IWF) gerade Zahlen dazu in einer Studie präsentiert. Zwischen 1950 und 1985 erhöhte demnach jeder Prozentpunkt an zusätzlichen Staatsausgaben, gemessen an der Wirtschaftleistung eines Landes, die Inflation um 0,8 Prozentpunkte. Seit den 1980er-Jahren sind es nur noch 0,5 Prozentpunkte.

Laut Bruegel-Analyse hat Österreich zwischen Herbst 2021 und Jänner 2023 Maßnahmen in Höhe von 5,3 Prozent der Wirtschaftsleistung zugesagt, um die Teuerung abzufedern. Unterlegt man das mit der Schätzung des IWF, würden diese zu einem Anstieg der Preise um 2,5 Prozentpunkte führen.

Diese Rechnung ist freilich nur eine grobe Annäherung. Ein Teil der Maßnahmen ist bisher politisch nur fixiert worden, ohne dass zusätzliches Geld bereits geflossen wären.

Aber unbestreitbar ist, dass die Inflationssteuerung in der Realität nicht nur den Notenbanken obliegt. Die Politik ist wohl ein ebenso wichtiger, wenn nicht gar noch wichtigerer, Player.

These 3: Die Energiekosten schlagen in Österreich stärker durch

Sie war vor allem im Vorjahr der Haupttreiber für die Inflation: Infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine hat sich Energie massiv verteuert, von den Strompreisen über das Tanken bis hin zur Fernwärme und anderen Arten der Heizung.

Mittlerweile hat sich die Lage etwas beruhigt. Im Großhandel – also an jenen Börsen, an denen Energieversorger ihre Energie einkaufen, um sie danach an Kundinnen und Kunden weiterzureichen – sind die Preise mitunter wieder so niedrig wie vor dem Ukrainekrieg.

Dennoch: In Österreich bleibt die Energie unter den größten Preistreibern. Im Jänner beispielsweise war die Haushaltsenergie ein Hauptgrund für die Inflation.

Warum? Es sind gleich mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen. Einer davon: Die Menschen in Österreich haben gemeinhin lange laufende Energieversorgungsverträge. Das heißt, Preiserhöhungen im Großhandel kommen zwar vergleichsweise spät in Österreich an, aber dann bleiben sie länger. In anderen Staaten hingegen, beispielsweise Spanien, haben viele Konsumenten sogenannte Floating-Verträge. Sie bewegen sich analog zu den Preisen im Großhandel – und sind mittlerweile bereits wieder gesunken.

Dazu kommen weitere Feinheiten, die jedoch in Summe viel ausmachen, wie der hohe Anteil der Energie an der Inflationsrate zeigt. Beispielsweise gilt in Österreich zwar seit September eine Stromkostenbremse, allerdings umfasst diese nur einen Verbrauch von jährlich 2900 Kilowattstunden. Und mehr noch: Die Mehrwertsteuer ist von ihr ausgenommen. Das bedeutet, man bezahlt die Steuer nicht auf die reduzierten Stromkosten, sondern auf die hohen. Was die Rechnung in Summe erhöht.

Auch die hohen Netzkosten befeuern die Inflation. Sie fallen nicht unter das Regime der Strompreisbremse. Bezüglich dieser Netzkosten hat sich die Regierung immerhin entschlossen, sie zu übernehmen. Zumindest sie werden deshalb ab April keine Rolle mehr für die Inflation spielen.

These 4: Die Löhne steigen in Österreich stark

Plus 7,4 Prozent bei den Mindestlöhnen für öffentlich Bedienstete gegenüber Februar 2022, plus 7,1 Prozent für Angestellte im Handel, plus 6,3 Prozent für Angestellte insgesamt. Österreichs Lohnentwicklung fällt laut Statistik Austria nicht gerade berauschend aus – angesichts einer Inflationsrate 2022 von 8,6 Prozent.

Dennoch: "Die Lohnabschlüsse in Österreich bei der vergangenen Herbstlohnrunde liegen über dem Durchschnitt der Eurozone", sagt Wifo-Experte Josef Baumgartner. Diese höheren Löhne würden die Inflation zusätzlich antreiben, weil sie zu höheren Arbeitskosten führten, vor allem im Dienstleistungsbereich.

Wie kommt es dazu? Im Hintergrund stehen hier vor allem die hohen Energiepreise, die die Menschen in Österreich stark belasten. Sie schlagen ungebremst auf die Preise vieler anderer Güter durch, was letztlich zu höheren Lohnforderungen der Gewerkschaften führt. Warum dieses ungebremste Durchschlagen? Die sogenannte Strompreisbremse wurde erst ab Dezember 2022 wirksam; bis dahin spürten viele Menschen die volle Last der Preissteigerungen. Von der Strompreisbremse abgesehen gab es in Österreich keine signifikanten weitergehenden Eingriffe in die Energiepreise. Ein Gaspreisdeckel wie in Spanien, der die Strompreise nach unten zieht? Eine dauerhafte Deckelung der Strompreise für Privatkunden wie in Frankreich? Beides in Österreich – Fehlanzeige.

Die hohen Energiepreise waren also eine Vorbedingung, die zu vergleichsweise hohen Lohnabschlüssen geführt hat – und es wird wohl so weitergehen. Wegen der hohen Preise für Energie und Dienstleistungen werden die Gewerkschaften bei den nächsten Lohnverhandlungen im heurigen Herbst wohl erneut hohe Abschlüsse im zweistelligen Bereich fordern. Traditionell betrachten sie nämlich als Basis für ihre Forderungen die Inflation in jenen zwölf Monaten, die den Verhandlungen vorangehen. Das heißt konkret, bei den nächsten Verhandlungen, wird die Spanne von Herbst 2022 bis Herbst 2023 ins Auge gefasst – in der Österreichs Inflation immer noch außerordentlich hoch ist.

"Die Gefahr besteht, dass die Lohnsteigerungen in den kommenden beiden Jahren die Wettbewerbsfähigkeit im europaweiten Vergleich verschlechtern", fürchtet Josef Baumgartner.

These 5: Es gibt zu wenige Eingriffe bei administrierten Preisen

Von Müllgebühr bis Öffi-Ticket, von der Abgabe für das Wasserwerk bis zur GIS-Gebühr: All das sind sogenannte administrierte Preise – solche, die nicht durch Angebot und Nachfrage am Markt bestimmt, sondern vom Staat oder Regulierungsbehörden festgelegt werden.

Administrierte Preise sind in Österreich überwiegend indexiert; sie steigen also mit der Inflation. Hier hätte der Staat einen großen Hebel, um die Inflation zu bekämpfen. Er müsste nur die administrierten Preise, oder zumindest Teile davon, nicht um die Inflationsrate anheben, sondern beispielsweise lediglich um den Inflationszielwert von zwei Prozent. Demnach würden etwa Müllgebühren um zwei statt acht Prozent steigen.

In Österreich allerdings geschieht fast nichts in diese Richtung. Winzige Ausnahme: das niederösterreichische Traiskirchen, wo Bürgermeister (und SPÖ-Vorsitz-Kandidat) Andreas Babler im April auf die zweijährlich vorgeschriebene Indexierung bei einigen Hundert Gemeindewohnungen verzichtete.

In Wien hingegen, wo es mehr als 200.000 Gemeindewohnungen gibt, steigen deren Mieten regulär mit dem Richtwert, ab April etwa um 8,6 Prozent. Auch in vielen anderen Kommunen und Bundesländern wachsen die Preise für allerlei öffentliche Dienstleistungen einfach mit der Inflation. Freilich muss man dabei bedenken, dass Einrichtungen vom Wohnungsamt bis Müllabfuhr ja ihrerseits gestiegene Kosten abzudecken haben. Aber: Man muss eine Preiserhöhung nicht vollständig aussetzen, sie ließe sich auch schlicht geringer gestalten.

Inwiefern andere Staaten europaweit in Steigerungen bei administrierten Preisen eingegriffen haben, lässt sich aufgrund mangelnder Daten nicht sagen. Aber: In der Schweiz, wo die Jahresinflation 2022 ganze 5,8 Prozentpunkte niedriger lag als in Österreich, hätten unter anderem administrierte Preise die Inflation "gedämpft", analysierte der Finanzdienstleister Blackrock im vergangenen Sommer.

Zwar ist der Anteil der administrierten Preise an der Gesamtinflation in der Schweiz außerordentlich hoch; er beträgt 27 Prozent im Gegensatz zu nur acht Prozent in Österreich. Dennoch – auch in Österreich könnten Eingriffe bei den administrierten Preisen als Mittel für die Inflationsbekämpfung dienen.

Sie holen weggeworfene und noch essbare Lebensmittel aus den Müllcontainern der Supermärkte und machen sich damit strafbar – doch Aktivisten halten am sogenannten Containern fest. Sie sehen sich als Protestbewegung gegen die Lebensmittelverschwendung..
DER STANDARD

These 6: Die Unternehmen nutzen die Lage für hohe Gewinne

Inflation war immer schon Kampfterrain im Konflikt zwischen Arbeit und Kapital, und das ist diesmal nicht anders. Während Unternehmensvertreter davor warnen, dass die Löhne in Österreich zu stark steigen, kritisieren Gewerkschaften die "Profitinflation": Unternehmen heben demnach ihre Preise mehr an, als sie es wegen gestiegener Kosten eigentlich müssten. Aber lässt sich das auch belegen?

Die Antwort lautet: Ja. Eine Gruppe von Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) hat im Rahmen eines Ende März erschienenen Blogeintrages analysiert, was genau die Preise in Europa derzeit treibt. Sind es Löhne oder Profite? Für die Berechnung werden in einem ersten Schritt jene Kosten herausgerechnet, die bei Unternehmen anfallen, wenn sie Vorleistungen aus dem Ausland importieren. Darunter fällt zum Beispiel teurer gewordenes Gas und Strom. In der Rechnung soll nur die inländische Produktion betrachtet werden. Dann wird im zweiten Schritt analysiert, wie der inländische Preisanstieg auf Arbeit und Kapital verteilt wird. Laut EZB stiegen sowohl Löhne als auch Profite kräftig an, Letztere aber etwas stärker. Gewinne trugen mehr als die Hälfte zum "inländischen Preisdruck" bei, wie die EZB formuliert.

Während die Zentralbanker in Frankfurt nur die Entwicklung in der Eurozone interessiert, existieren solche Berechnungen auch für Österreich. Das Momentum-Institut, das Arbeiterkammer und ÖGB nahesteht, hat ausgerechnet, dass in Österreich die Branchen Energie, Bau und Landwirtschaft die höchsten Preissteigerungen durchsetzen konnten. Der größte Teil davon ist in die Gewinnmargen geflossen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass in der Gastronomie die Margen erhöht worden sind. So hat sich der Wein in Restaurants im Jahresabstand um 16 Prozent verteuert. An den Trauben liegt es nicht. Im Handel war das Plus knapp halb so groß. Auch bei Brennholz gibt es Preissteigerungen, die mit teuren Rohstoffen nicht erklärt werden können.

Insgesamt sollten die Auswirkungen der Profitinflation nicht überschätzt werden, sie gibt es wohl nur in einigen Branchen. Darauf deutet eine andere Kennzahl hin: die Lohnquote. Diese Zahl gibt an, welchen Anteil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Kuchen abbekommen, wie groß also ihr Anteil am Volkseinkommen ist. Neue Zahlen des Wifo zeigen: Der Anteil blieb 2022 stabil.

These 7: Österreich bekämpft nur die Folgen, nicht die Ursachen

Österreichs türkis-grüne Regierung bekämpft die hohe Inflation hauptsächlich mit einer Maßnahme: Geld zahlen, um die Menschen zu entlasten. Ob mittels Abschaffung der kalten Progression für Arbeitnehmer, Einmalzahlungen für Bedürftige, diverse Zuschüsse der Bundesländer oder Klimaboni: Fast jede(r) in Österreich bekommt irgendeine Form der Finanzhilfe.

Es ginge auch anders, kritisiert Georg Feigl, Ökonom von der Wiener Arbeiterkammer (AK). "Österreich setzt zu sehr auf die Bekämpfung der Folgen der Inflation", sagt er – in Form ebenjener Zahlungen. Zu wenig hingegen werde die Teuerung bei der Wurzel gepackt, bei den Ursachen angesetzt.

Es geht also darum, Preisanstiege dort zu bekämpfen, wo sie tatsächlich entstehen. Feigl verweist auf Spanien: Dort erhöhten sich die Preise im März 2023 im Vergleich zum Vorjahresmärz um lediglich 3,1 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich waren es 9,2 Prozent.

Was macht Spanien anders? Zunächst hat das dort regierende Linksbündnis bereits vergangenen Juni gemeinsam mit dem benachbarten Portugal einen Gaspreisdeckel beschlossen. Die (extrem hohen) Gaspreise schlagen nicht mehr automatisch auf die Strompreise durch und ziehen diese nach oben. Kritiker entgegnen aber – durchaus zu Recht –, dass ein derartiges Modell nur auf der Iberischen Halbinsel funktioniere. In den Staaten Mitteleuropas hingegen sind die Strommärkte viel stärker miteinander verflochten, als das zwischen Iberien und dem restlichen Europa der Fall ist. Österreichischer Strom würde sogleich ins Ausland fließen, wäre er dank staatlicher Eingriffe verbilligt.

Aber nicht nur beim Strom geht Spanien an die Wurzel des Problems. Auch wurde die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel gesenkt, was diese verbilligt. Überdies hat das Land bei Mieten beschlossen, dass diese nur um zwei Prozent steigen dürfen, nicht um die volle Inflationsrate. In Österreich war ein solcher Schritt zwar im Gespräch, scheiterte aber am Widerstand der ÖVP. Deshalb steigen die Mieten nun kräftig, bei vielen Wohnungen um 8,6 Prozent. Als Ausgleich stockte Türkis-Grün die Wohn- und Heizkostenzuschüsse auf, um insgesamt 225 Millionen Euro. Das heißt aber auch – neuerlich erfolgt eine Zahlung an die Menschen, die die Inflation weiter befeuert. (Joseph Gepp, András Szigetvari, 14.4.2023)